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Dokumentar-Film-Kultur

Zweiteiliges Symposium vom 19. April und 20./21. September 2018

..."Alles steht zur Disposition und muss neu überdacht werden. Es wäre auch ungewöhnlich, wenn der umstürzende Vorgang der Digitalisierung ausgerechnet ein der Wirklichkeit zugewandtes Genre wie den Dokumentarfilm nicht grundlegend tangieren sollte." ...
Fritz Wolf, epd medien Nr. 41, 12.10. 2018

Teil 1: "Netzwerke und Kollektive", am 19. April 2018

"Über das Kollektiv Dokomotive sollen Kontakte geknüpft und Erfahrungen ausgetauscht werden. Mit dieser Grundidee startete das Projekt 2015, angestoßen von Markus Lenz und seinem Kollegen Elí Roland Sachs, ebenfalls Dokumentarfilmer. "Der harte Kern besteht aus acht oder neun Leuten", erklärt Lenz. Im ganzen Kollektiv seien aber etwa 20 Filmschaffende beteiligt. Mitgliedsbeiträge oder Ähnliches gibt es nicht. Wichtig ist die Mitarbeit und Präsenz bei Feedback-Treffen. Wer die Meinung der Kollegen zu seinem eigenen Projekt hören will, sollte sich auch mit den Fragen der anderen auseinandersetzen, so das Prinzip."

Sara Pichireddu, Kölner Stadt-Anzeiger, 19.4.2018

"… [Auf der Tagung der Dokumentarfilminitiative NRW] verhandelte man die Frage, ob und wie – so die These – das Kollektivkonzept mit seiner historisch aufgeladenen Geschichte gerade bei jungen Filmemacher*innen der Gegenwart Auferstehung feiert. (...] Acht solcher Teams waren nach Köln eingeladen, um sich und ihre Arbeit vorzustellen: Alteingesessene wie die Wendländische Filmkooperative und blutjunge wie das neopan kollektiv aus Stuttgart; große wie die selbstverwaltete Filmschule filmarche und kleine wie die dreiköpfige Produktionskooperative Petrolio."

Silvia Hallensleben, die tageszeitung, 23.4.2018

..."Und – last but not least – eine locker zusammengeschlossene Truppe von zwanzig Leuten aus Düsseldorf, die unter dem schönen Namen ‚Strippenzieherei‘ mit ihrer audio-visuelle Praxis nicht aus dem Bereich Dokumentarfilm, sondern dem Umfeld der dortigen Kunstakademie kommt. Das erwies sich als blickschärfend, weil nach Darstellung der Strippenzieherin Katharina Blanken eine gänzlich andere Studien- und fehlende Förderstruktur an der Akademie zu einem sichtlich anderen Umgang mit dem Thema Professionalität bei den Studierenden führt. Während bisher bei der Filmproduktion (wenn auch oft nur in der Theorie) wenigstens der Anspruch auf eine angemessene Bezahlung für geleistete Arbeit besteht, gibt es bei den Medien-Künstlern eigentlich nur die Extrempole kommerzieller Auftragsarbeit und unbezahlter künstlerischer Herzensprojekte. Für beides ist ein spartenübergreifendes Netzwerk sicherlich eine nützliche Basis.

Doch auch die vorgestellten Kooperativen im Filmbereich sind - bei aller Heterogenität im Einzelnen - in der Praxis verbunden durch die Tatsache, dass bisher nirgendwo wirklich Geld verdient wird und viele ihre Filmarbeit durch Brotjobs anderswo finanzieren. Der Zusammenschluss ist auch ein Versuch, dies zu ändern und Kontrolle über die materiellen Ressourcen zu bekommen. Dabei gehen die jungen meist aus Filmschulen ausgegründeten Produktions-Kollektive bei aller Wertschätzung hierarchiefreier und offener Strukturen deutlich prosaischer an das Thema Kollektivität heran als es ihre historischen Vorläufer taten - und scheinen sich auch um die starke historische Aufladung des Kollektiv-Begriffs kaum zu kümmern. Vom emphatischen "gemeinsam Leben und Arbeiten" keine Spur. Stattdessen geht es ganz pragmatisch um die Bündelung von Synergien gegen die zunehmend schwierigen Bedingungen am Markt, um die Herstellung auktorialer Autonomie und kreativer Kontinuität."...

Silvia Hallensleben, black box Nr. 273, Mai/Juni 2018

Teil 2 „Eigensinnige Filme“, 20. / 21. September 2018

... "Für die Dokumentarfilmer ist die Möglichkeit enormer Reichweiten im Netz eher eine wohlfeile Verheißung; in der Praxis gehen ihre eher randständigen Filme in den algorithmisch sortierten Weiten des Internet bislang eher unter. Außerdem hat wohl kaum jemand die Geduld, sich einen im Kino abendfüllenden Film auf dem Handyscreen bis zum Ende anzuschauen. Deshalb müssen sich die Formate und Formen stark verändern. Die prekäre materielle Basis des dokumentarischen Filmschaffens verschärft sich dadurch noch weiter, da die einschlägigen Sendeplätze bei den Fernsehsendern bereits jetzt schon stark schrumpfen. Bislang gibt es weder ein Modell noch eine Aussicht darauf, wie sich online Einkünfte generieren lassen, die über ein paar Cent hinausgehen." ...
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Silvia Hallensleben, filmdienst.de

... "Die Dokumentarfilminitiative NRW, DFI, hat sich in diesem Jahr die Frage gestellt, "welche Dokumentar-Film-Kultur wollen wir" und überschrieb ihr Symposium im September mit dem Motto: "Eigensinnige Filme". Es sollte um die Frage gehen, welche Filme wir in Zukunft sehen wollen, welche Strukturen es braucht.

Die Diagnose für den Dokumentarfilm als Genre: "Seine Produktionsmöglichkeiten, seine Lesarten und Rezeptionskontexte sind inzwischen so multipel wie seine Aussendungswege in Kanälen und auf Displays", so lautete das Fazit der Dokumentarfilminitiative nach dem Symposium. In vier Workshops wurden konkrete Fragen diskutiert: Vertrieb, neue Auftragskooperationen für Fernsehen und Online-Plattformen, Filmbildungs-Angebote, Autorschaft im digitalen Zeitalter sowie digitale Bildästhetiken. Alles steht zur Disposition und muss neu überdacht werden. Es wäre auch ungewöhnlich, wenn der umstürzende Vorgang der Digitalisierung ausgerechnet ein der Wirklichkeit zugewandtes Genre wie den Dokumentarfilm nicht grundlegend tangieren sollte." ...

Fritz Wolf, epd medien Nr. 41, 12.10. 2018

... "Ob hierzulande mit Filmbildung, mit der Stärkung öffentlich-rechtlicher Mediatheken oder mit der Vollförderung von Dokumentarfilmen mit öffentlichen Geldern und anschließender kostenfreier öffentlicher  Bereistellung im Netz die Filmkultur "gerettet" werden kann, wurde kontrovers diskutiert. Vorschläge gab es, sich in Genossenschaften zu organisieren und neue Partner und Finanzierungen zu suchen, um unabhängig produzieren zu können." ...

Karl Maier, Rundbrief des Film & Medienbüro Niedersachsen, 130, 0kt. 2018

... "Im Symposium war der Wunsch nach Gemeinschaft, nach kollektiver Aktion, die Forderung von transdisziplinären Think Tanks extrem spürbar, als Reaktion auf die Macht bestehender Strukturen und aus dem Wunsch nach "Anwesenheit". Digitale Strukturen verstärken derzeit das Bedürfnis nach komplementären Strukturen der Begegnung.

Der Dokumentarfilmer Christoph Hübner beschrieb in seiner Einführung am ersten Tag eine Dokumentarfilmkultur bestehend aus Neugier, Offenheit, Selbstreflexion, dem Zulassen von Unsicherheit, Geduld und Anwesenheit. Diese wird, das wurde deutlich, im Kontext der Digitalisierung keineswegs überflüssig. Sie verbindet sich neu mit und durch die Technik und ist als Grundverständnis der Filmschaffenden aktuell wie nie.“

Marcus Seibert / P. Schmitz, Kinema Kommunal, Nr. 4, Dez. 2018