Jean-Marie Straub und Danièle Huillet: Schriften
herausgegeben von Tobias Hering, Volko Kamensky, Markus Nechleba, Antonia Weiße
Band 22, Texte zum Dokumentarfilm, hg. von der dfi - Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW
400 Seiten, BR, EUR 24 | SFr 30
zahlr. Abb., Faksimiles
ISBN 978-3-947238-19-4
»Was bedeutet es, Filme in Deutschland zu machen? Hyperion würde antworten: verbluten; ich füge hinzu: zunächst nicht erreichen können und dürfen die vielen, denen man seine Filme schenken möchte.«
Jean-Marie Straub, 1966
Die vorliegenden »Schriften« versammeln erstmals in deutscher Sprache alle Texte, die die Filmemacher Danièle Huillet und Jean-Marie Straub für eine Veröffentlichung verfasst haben. Neben den zahlreichen ursprünglich deutsch erschienenen Texten finden sich in diesem Band nun auch eine Reihe bislang nur auf Italienisch oder Französisch zugänglicher Texte in deutscher Übersetzung.
Die chronologisch angeordnete Sammlung beginnt mit einem Bericht von Jean-Marie Straub von den Filmfestspielen in Venedig im September 1954 und endet mit einer Nachricht von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub an das Festival von Venedig im September 2006, das ihnen nach mehr als 44 Jahren Arbeit und fast dreißig realisierten Filmen einen Löwen für »Innovationen in der kinematographischen Sprache« verlieh: »Das ist zu früh gekommen für unseren Tod, aber zu spät für unser Leben.«
Die Filme von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub sind, biographisch und politisch bedingt und gewollt, in Deutschland, Italien und Frankreich entstanden — auf Deutsch, Italienisch und Französisch, entsprechend der Originalsprache der literarischen Vorlagen: Böll, Brecht, Corneille, Mallarmé, Vittorini, Pavese, Fortini, Kafka, Hölderlin u.a. Die drei Sprachen finden sich deshalb auch in der Schreib- und Publikationspraxis von Straub / Huillet, die die Arbeit an den Filmen begleitete.
Zur unermüdlichen Bemühung, die »vielen« zu erreichen, »denen man seine Filme schenken möchte«, gehörten für Jean-Marie Straub und Danièle Huillet nicht nur das Reisen mit den Filmen, die Anwesenheit und das Gespräch mit dem Publikum — so oft wie möglich —, sondern auch das Schreiben, die Mitteilung über Zeitungen und Zeitschriften, Fachpresse, Tagespresse, Flugblätter, »graue Literatur«. Über die Jahrzehnte entsteht ein sich schichtender Kommentar zu den Filmen: Erläuterungen, Zueignungen, Polemiken, Verteidigungen.
Im Rahmen der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2020 entstanden mehrere Online-Lesungen aus dem Band. Eine Übersicht der Lesungen gibt es hier.
„ … Wer sich auf Straub/Huillet berief oder deren Fan war, gab damit zu erkennen, das Medium Kino in seiner Materialität und in seiner politischen Relevanz besonders ernst zu nehmen. Straub/Huillet nahmen immer eine Randposition ein, waren aber gerade deswegen immer ungeheuer einflussreich. Und die SCHRIFTEN lassen nun in vielen Details erkennbar werden, wie originell und auch weitblickend die Verbindung von Ästhetik und Politik tatsächlich war, die sich in Filmen wie ‚Die Chronik der Anna Magdalena Bach‘, ‚Moses und Aaron‘ (nach Schönberg), ‚Klassenverhältnisse‘ (nach Kafka) oder ‚Der Tod des Empedokles‘ (nach Hölderlin‘) zeigte und vernehmbar machte. …“
Bert Rebhandl in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.11.2020
„ … Die Herausgeber haben die Texte vorbildlich aufbereitet und mit einer unverzichtbaren Filmographie ergänzt. In Italien, Spanien, Frankreich und im englischsprachigen Raum sind die SCHRIFTEN gelesen worden. Wäre die deutsche Linke weniger provinziell läse sie sie auch. …“
Stefan Ripplinger in konkret, Juli 2020
„ … Huillet/Straub haben ihrer kritischen Sicht auf die Welt in vierundvierzig Jahren gemeinsamer Arbeit und mehr als dreißig Filmen Ausdruck gegeben, darunter filmische Essays zu Johann Sebastian Bach und Arnold Schönberg, zu Werken Franz Kafkas, Bertolt Brechts und Heinrich Bölls. Wer wissen will, welche Überlegungen hinter diesem Programm stehen, welche Hindernisse zu seiner Durchsetzung zu überwinden waren, welche Debatten um Gegenwart und Zukunft der „Kunst des 20. Jahrhunderts“ (Hans Jürgen Syberberg) geführt wurden und welche Rolle in solchen Auseinandersetzungen dieses symbiotisch arbeitende Filmemacher-Paar gespielt hat, findet in den soeben im Berliner Verlag Vorwerk 8 erschienenen SCHRIFTEN reiches Material. …“
Ralf Schnell im Berliner Tagesspiegel vom 22.Juli 2020
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